Citizen 2.0
10 Jahre her...
... und unvergessen. Nein, sogar genauso frisch im Gedächtnis als ob es letzte Woche gewesen ist. Ich will diese Erinnerungen endlich los werden. Vielleicht bleiben sie ja hier, wenn ich sie hier hinterlege und nie wieder anschaue.
Weiterlesen auf eigene Gefahr!


Ja, das nennt sich Zivildienst.

Da war die ältere Krebspatientin, die einen Tag vor Weihnachten starb, von den trauernden Angehörigen abgesehen durfte ich sie mit in den Feierabend nehmen. In ihrem Bett liegend, den Kollegen schöne Weihnachten wünschend, in den Keller gefahren und sie dort aus dem Bett heraus in ein Kühlfach gewuchtet. Ihren Namen in dem entsprechenden Buch verzeichnet, die Türe hinter ihr geschlossen, umgezogen und dann war da Weihnachten...

Der Krebspatient, dem der Hals immer mehr zuschwoll und um Atem rang und die Ärzte anfehlte, sie mögen doch etwas tun, doch die standen nur hilflos neben dem Bett. Ich sollte dem einen Arzt was ausrichten und kam zu der Situation in den Raum und wurde wieder weggeschickt. Die Nachtschicht hat den Mann dann in ein Kühlfach gelegt.

Die Aids-Patientin, der alles egal geworden war, rumschrie, Pfleger und Ärzte anspuckte und Schmerzmittel wie Süssigkeiten ass. Sie lebte wohl noch eine ganze Zeit, wenn sich das Leben nennt.

Ja, das nennt sich allerdings Zivildienst.

Und die Frage nach dem Sinn bleibt. Der Weg ist das Ziel? Einen guten Weg finden, bis man dran ist? Lohnt dieser Aufwand, diese Anstrengungen? Ich sehe seit Jahren keinen guten Weg, nur einen unausweichlichen, auf dem ich weiter vorwärts geschubst werde. Wenn ich den Weg bis zum Ende geschubst wurde, werde ich wohl mit zerschundenen Füssen irgendwo ausgebrannt stehen und mich fragen, wie ich jetzt noch meinen Weg gehen kann.
In den letzten Monaten verdichtet sich der Gedanke immer mehr. Ist das Wegende erreicht habe ich auch mein Ende erreicht. Man reserviere mir bitte die Kugel am Ende des Weges, ich werde keinen weiteren Schritt mehr gehen können, um sie woanders zu finden.

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gedankenmaler, 18. Nov 2007, 23:57
Ich behaupte, Deine Erinnerungen werden sich von selbst "vergessen", wenn Du sie läßt.
Aber das ist immer einfach gesagt, wenn man sich gerade in einem anderen "psychischen Strom" befindet. Sehr eindrücklich hat mir das ein ultra-fieser Horrorfilm gezeigt, den ich vor kurzem gesehen habe.
Nun, ich habe ihn zum Glück doch "vergessen". Aber die ersten zwei, drei Tage danach war ich wirklich erstaunt, wie nachhaltig er mich negativ beeinflußt hat. Ich tue mir so etwas in Zukunft nicht mehr an.

Natürlich meine ich mit "vergessen" nur den Umstand, dass ich einen inneren Abstand zu diesen "Bildern" habe, und sich das psychische Klima in mir gedreht hat. Absolutes Vergessen darf man natürlich nicht erwarten.
Aber das heißt nicht, dass diese "Bilder" eine Restmacht über mich behalten.

Ansonsten hat es für mich den Anschein, dass Dein Alltag ziemlich anstrengend ist und dass zu wenig Zeit für Dich selbst hast. Kannst Du daran etwas ändern?

Was das Leid und den Tod der damals von Dir betreuten Patienten angeht, so vergesse nicht, dass wir die Möglichkeit nicht ausschließen können, dass sie "auf der anderen Seite" mit Liebe empfangen wurden.
Vielleicht genau dort, von wo wir uns alle einst aufmachten in diese Welt hier.

citizen, 22. Nov 2007, 02:51
Es ist diese Restmacht - hin und wieder, durch verschiedene Anlässe, springen die Erinnerungen wieder nach vorn und machen sich laut bemerkbar. Dadurch springen dann meist wieder andere 'Mechanismen' in meinem Gehirn an und man landet in einem anderen 'psychischem Strom', wie du es nennst.
Und nein, an meinem Alltag kann ich nicht wesentlich was ändern.
Von der 'anderen Seite' halte ich nicht viel, aber sowas ist wohl Geschmacksfrage.

gedankenmaler, 28. Nov 2007, 00:25
Ich glaube, dass viel von der eigenen grundsätzlichen Bewertung der innerpsychischen Phänomene abhängt.
Von grundlegender Bedeutung ist dabei natürlich auch die Frage, was man eigentlich ist.

Gibst Du Dich den Glauben hin, dass
- Du "geschädigt" bist?
- diese "Erinnerungskrämpfe" viel über Dich aussagen?
- da etwas "in" Dir ist?
(oder ähnliche)

Ich stelle jetzt keine Aussagen über wahr oder unwahr auf und frage auch nicht unbedingt nach Deinen Antworten. Es geht mehr um Deine Bewußtheit Deiner Grundannahmen und Deiner Gewohnheiten. Letztere entdeckt man meiner Erfahrung nach am besten immer auf frischer Tat. Sie sind auch nicht immer die logische Verlängerung der eigenen Grundannahmen.
In der Praxis könnte es z.B. sein, dass Du Dir jedesmal, wenn Dich so ein "Erinnerungskrampf" befällt, die Suggestion erteilst, dass Du "ein Problem hast", wodurch Du nur noch mehr verkrampfst. (?)

Ich glaube, dass es generell gut ist, sich nicht allzuviel mit der eigenen psychischen Maschinerie zu identifizieren; die Psyche überhaupt als eine "Maschine" bzw. "Ding" aufzufassen, ist schon ein Element dieses maßvollen Abstands zu sich selbst. Gut passt dann auch dieses "buddhistische" Thema "Alles kommt und geht" dazu.
Ich behaupte auch gern: "Nichts ist wirklich eine Aussage über Dich".

In jedem Fall ist Entspannung etwas sehr Wichtiges. Diese sollte eben auch im Denken ihren Platz haben. Gib Dich mal einfach dem Glauben hin, dass alles mit Dir völlig okay ist...

Mir selbst sollte ich das übrigens auch öfter mal sagen...

citizen, 5. Dez 2007, 04:16
Ich denke nicht, dass da was in mir ist. Den Rest verneine ich auch mal. Es ist mehr ein Strudel aus Gedanken über den Sinn und das Warum. Eine Aufgabe zu erfüllen um glücklich zu werden? Ich habe nur eine große Aufgabe und vermutlich werde ich erst mit dem Tod der beteiligten Personen frei sein. Ich denke, dann ist auch mein Leben verlebt und meine Aufgabe erfüllt. Wozu dann noch leben? Ich will keine Lebensaufgabe für jemand anderes werden.

In diesem Gedankenstrudel ist viel Platz für Pessimismus, Optimismus findet sich schwerlich, wenn das Ziel der Tod ist.

Und manchmal lenkt man sich halt ab indem man versucht kurzfristig auch mal selbst zu leben. Aber Gedanken sind schneller als Taten, die holen einen überall ein.

EDIT: Andersrum betrachtet: manche Sachen prallen nicht an mir ab sondern setzen sich fest und fester und lassen nicht mehr los. Ich behauptete zwar lange ein dickes Fell zu haben, aber manche Dinge fanden trotzdem den Weg nach drinnen und fordern meine Aufmerksamkeit und ich folge recht bedingungslos.

Wenn überhaupt sollte wohl dort der Ansatzpunkt liegen. Nur wie bestimme ich, dass mir Gedanken egal werden? Meine Gedanken zu kontrollieren finde ich fast unmöglich und gelingt mir maximal temporär mit Ablenkung/Verdrängung.