Citizen 2.0
Donnerstag, 7. Mai 2009
fast ein Jubiläum
Vor fast genau einem Jahr sah ich ihn.
Nun sah ich ihn wieder - zweimal. Vor zwei Wochen bereits zum ersten mal... gestern wieder. Noch immer schlagend, noch immer redend. Wo er einstieg und wo er ausstieg weiß ich nicht.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren



Sonntag, 1. Juni 2008
S-Bahn-Fahrten
Sommer 1998
Wir fahren zu Dritt zum ersten mal zur Uni, um uns zu immatrikulieren. Eine Frau mittleren Alters steuert während der Fahrt zielstrebig auf uns zu und will uns Bücher schenken. Über Astrologie oder so. Wir werden nach unseren Geburtsdaten gefragt, worauf hin sie versucht jedem etwas schlaues zu sagen. Mir sagte sie "du wirst predigen".
irgendein Sommer zwischen 2000 und 2002
Der junge Kerl sitzt schräg gegenüber, direkt neben der Tür zum nächsten Waggon. Er hängt da so schlaff, halb auf dem Gang, halb auf dem Sitz, daß man sich wundert, wieso er nicht zu Boden fällt. Die Türe blockiert er so auch, aber die Menschen drücken ihn mit der Türe sanft zur Seite. Irgendwann fällt mir auf, dass seine Hose durchnäßt ist, vom Schritt die Hosenbeine runter. Zu seinen Schuhen bildet sich eine Pfütze. Am nächsten Hauptbahnhof schlurft er schlaff und schwankend nach draußen.
irgendein Sommer zwischen 2000 und 2002
Der junge Mann kommt hektisch in den Waggon, geht zu jedem Mülleimer, der sich an jeder Sitzgruppe befindet, reißt den Mülleimer auf, schaut rein, wühlt drin rum, wirft ihn wieder zu und läuft hektisch zum nächsten. Einen Mülleimer nach meinem Sitzplatz findet er was, greift es sich, stopft es sich hektisch in den Mund und geht kauend zum nächsten Mülleimer. Nachdem er alle Mülleimern durchsucht hat geht er in den nächsten Waggon.
irgendein Sommer zwischen 2000 und 2002
Der wirklich übel stinkende Obdachlose liegt auf dem Sitz. Alle versuchen mit gerümpfer Nase und angeekeltem Blick an ihm vorbei zu kommen. Als er später aussteigt bleibt der Geruch, am Boden schwappt eine Pfütze aus Fäkalien.
Anfang 2006
Der besoffene Mann sitzt nachmittags in der vollen Bahn hinter mir. Er redet sich seinen Frust von der Seele, mit russischem Akzent, teilweise auch auf russisch. Er erzählt allen im Waggon wie Scheisse die Deutschen, die Nazis sind, Russland ist um vieles besser, Russland wird der Scheiss-Merkel schon zeigen, dass diese Scheiss-Fotze nichts taugt. Dazu ruft er irgendwelche russischen Parolen.
21.05.2008
Er ältere Mann kommt ins Abteil gewankt, setzt sich, steht etwas später wieder auf, läuft umher, schaut Leute an, setzt sich auf der anderen Seite und haut während der ganzen Zeit seine rechte Hand gegen sein Kinn und nuschelt unverständliches Zeug. Er redet und redet und irgendwann versteh ich ihn plötzlich. "Helft mir, helft mir, ich will mich nicht schlagen, ich will mich nicht schlagen! Hilfe! Wer kann mir helfen? Wer ist so gut? So helft mir doch, helft mir doch, helft mir doch, wer ist so gut?" Seine Stimme wird weinerlich, er schluchzt, er schlägt sich kräftiger. "Bitte, helft mir doch, ich will mich nicht schlagen, so helft mir doch, wer ist so gut, wer ist so gut..." Er steigt mit kleinen Trippelschritten am nächsten Hauptbahnhof aus, läuft verwirrt auf dem Bahnsteig umher bis er langsam die Treppe runtergeht und sich mit der bis grade schlagenden Hand am Geländer festhält.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren



Donnerstag, 15. November 2007
10 Jahre her...
... und unvergessen. Nein, sogar genauso frisch im Gedächtnis als ob es letzte Woche gewesen ist. Ich will diese Erinnerungen endlich los werden. Vielleicht bleiben sie ja hier, wenn ich sie hier hinterlege und nie wieder anschaue.
Weiterlesen auf eigene Gefahr!


Ja, das nennt sich Zivildienst.

Da war die ältere Krebspatientin, die einen Tag vor Weihnachten starb, von den trauernden Angehörigen abgesehen durfte ich sie mit in den Feierabend nehmen. In ihrem Bett liegend, den Kollegen schöne Weihnachten wünschend, in den Keller gefahren und sie dort aus dem Bett heraus in ein Kühlfach gewuchtet. Ihren Namen in dem entsprechenden Buch verzeichnet, die Türe hinter ihr geschlossen, umgezogen und dann war da Weihnachten...

Der Krebspatient, dem der Hals immer mehr zuschwoll und um Atem rang und die Ärzte anfehlte, sie mögen doch etwas tun, doch die standen nur hilflos neben dem Bett. Ich sollte dem einen Arzt was ausrichten und kam zu der Situation in den Raum und wurde wieder weggeschickt. Die Nachtschicht hat den Mann dann in ein Kühlfach gelegt.

Die Aids-Patientin, der alles egal geworden war, rumschrie, Pfleger und Ärzte anspuckte und Schmerzmittel wie Süssigkeiten ass. Sie lebte wohl noch eine ganze Zeit, wenn sich das Leben nennt.

Ja, das nennt sich allerdings Zivildienst.

Und die Frage nach dem Sinn bleibt. Der Weg ist das Ziel? Einen guten Weg finden, bis man dran ist? Lohnt dieser Aufwand, diese Anstrengungen? Ich sehe seit Jahren keinen guten Weg, nur einen unausweichlichen, auf dem ich weiter vorwärts geschubst werde. Wenn ich den Weg bis zum Ende geschubst wurde, werde ich wohl mit zerschundenen Füssen irgendwo ausgebrannt stehen und mich fragen, wie ich jetzt noch meinen Weg gehen kann.
In den letzten Monaten verdichtet sich der Gedanke immer mehr. Ist das Wegende erreicht habe ich auch mein Ende erreicht. Man reserviere mir bitte die Kugel am Ende des Weges, ich werde keinen weiteren Schritt mehr gehen können, um sie woanders zu finden.

Permalink (4 Kommentare)   Kommentieren